Fortsetzung unseres Gesprächs mit Thomas Werner: Der COO in Rechtsanwalts-, Steuerberatungs- und WP-Gesellschaften
Nachdem wir im ersten Teil des Gesprächs mit Thomas Werner, COO der multidisziplinären Beratungsgesellschaft MÖHRLE HAPP LUTHER, über seine grundsätzliche Einordnung des COOs in der Kanzleilandschaft und seine Einschätzungen zur Entwicklung der Rolle gesprochen haben, geht es im Folgenden um den COO als Trusted Advisor und Steuermann der Digitalen Transformation.
Eigentlich ist der COO doch eine Art Trusted Advisor, nur dass er im Hause angesiedelt ist. Das erfordert die Fähigkeit, Aufgaben zu sehen, wenn Andere sie noch nicht als solche erkannt haben, sich reinzudenken, praktikable Konzepte vorzulegen, die Diskussion zu strukturieren, sie aktiv zu steuern, Entscheidungen vorzubereiten etc. – immer wissend, dass vom gegenseitigen Vertrauen alles abhängt.
Thomas Werner: Tatsächlich spielt die fachliche Expertise nur begrenzt eine Rolle. Als COO ist man so breit aufgestellt, dass man nicht in allen Details eine Ahnung haben kann. Daher sehe ich im Übrigen auch eine Hauptaufgabe des COO darin, einen starken Unterbau zu schaffen.
Da kommt einer, der einen Apparat aufbauen wird! Ist das nicht genau das, was jeden Mittelständler zusammenzucken lässt, weil er genau das fürchtet – fürchten muss?
Thomas Werner: Ja, das ist die große Angst der Mittelständler. Aber es gibt ja verschiedene Treiber oder Katalysatoren, die ein Handeln unausweichlich machen. Klassisch war es das Finanz- und Rechnungswesen. Wenn man zum Beispiel keine Abschlüsse mehr erstellen kann und das Finanzamt immer mehr Druck macht, ist klar, dass da was passieren muss. Das war der Klassiker im Nachgang der Fusionen von Anwaltsgesellschaften um die Jahrtausendwende. Als neuen und stärkeren Treiber sehe ich die Digitalisierung. Da geht es am Ende um Software-Anwendungen, mit denen ich arbeite, neue Produkte generiere und mit denen ich Marge bzw. Umsatz generiere. Voraussetzung dafür sind aber funktionierende IT-Plattformen und das ist nach meiner Beobachtung das, wo Mittelständler als erstes die eigene Wirklichkeit einholt. Eine ausgewogene, auf 3 bis 5 Jahre angelegte IT-Strategie, ist die Voraussetzung für jede wirkliche Digitalisierung einer Gesellschaft.
Brauche ich dann nicht eher einen CIO?
Thomas Werner: Ich würde den COO vorschalten. Ein CIO klassischen Zuschnitts oder ein IT-Director kommt deutlich schwerer mit den Partnern klar. Das Dilemma, was ich in der IT bei mittelständischen Kanzleien sehe, ist, dass man hier auf der Ebene von Systemadministratoren und -technikern unterwegs ist. Das reicht aber nicht, um die Grundlagen für die digitale Transformation zu schaffen. Wenn man weiter reinschaut, wie ist das Storage Area Network aufgebaut, was ist mit Firewalls, Berechtigungskonzepten und Ähnlichem? Auch die Diskussion „make or buy“ muss professionell vorbereitet und zügig zu einer Entscheidung geführt werden. Die Partner in derlei Diskussionen mitzunehmen, kann nur gelingen, wenn ich ein solches Projekt als COO mit entsprechender Fachkenntnis und dem notwendigen Gespür und zugleich mit Nachdruck vorantreibe. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass sich an dieser Stelle in den nächsten 10 Jahren die Spreu vom Weizen trennen wird. Gerade in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung ist das erfolgskritisch und ein Riesenthema, weil ich ohne entsprechende Programme meine Leistungen nicht länger vernünftig und zugleich wirtschaftlich erbringen kann. Anwaltsgesellschaften bzw. Anwälte werden ihr Geld tendenziell weiterhin stark mit traditioneller Beratung verdienen, aber der Steuerberater und WP ist ohne Digitalisierung nicht zukunftsfähig.
Alle reden von Digitalisierung und jeder versteht etwas anderes darunter. Wir kennen die teils abenteuerlichen Diskussionen in Partnerschaften dazu. Den einen geht es nicht schnell genug und die anderen stehen fortlaufend auf der Bremse. Welche Rolle schreiben Sie hier dem COO zu?
Thomas Werner: Den COO sehe ich als Steuermann, der den Prozess der digitalen Transformation organisiert. Er kennt die strategische Ausrichtung der Kanzlei, leitet daraus die Maßgaben für erste Digitalisierungsschritte ab, organisiert die dafür erforderlichen Fachleute. Wenn klar ist, dass die Reise in Richtung Digitalisierung geht, muss man sie angehen. Der Markt ist in Bewegung. Und wenn der Mittelstand keine Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung hat, werden agilere Wettbewerber Marktanteile an sich ziehen.
Es kann ja kein Zufall sein, dass wir so viel über IT sprechen. Ist der COO nicht in großen Teilen auch ein CIO?
Thomas Werner: Weil da so viel in Bewegung gerät, braucht es an der Stelle einen starken COO mit mindestens IT-Affinität. Ich habe in meinen COO-Rollen viel Zeit mit IT verbracht. Wenn die IT nicht läuft, steht das ganze Unternehmen still. Ich kenne Kanzleien, die ein neues ERP-System eingeführt haben und dann sechs Monate keine Rechnungen schreiben konnten. Während der Kontostand sinkt, steigt der Blutdruck. Der COO braucht aus meiner Sicht auch die Freiheit, neue Wege zu öffnen, z.B. eine Auslagerung der IT als Option auszuarbeiten. Warum soll man nicht die IT in eine Service-Gesellschaft geben und die Kanzlei beteiligt sich daran als Ankerinvestor. Hier kann sich ein COO sogar unternehmerisch einbringen.
Wir wissen aus der Erfahrung, wie schwer es ist, überhaupt geeignete Kandidaten für die COO- oder eine artverwandte Funktion zu finden. Wenn man Ihre Aussagen auf sich wirken lässt, könnte das Bild entstehen, dass der COO ein „Tausendsassa“ sein sollte. Wo finden wir den?
Thomas Werner: Zunächst muss ich natürlich schauen, was die Bedürfnisse der Firma sind. Ein COO in mittelständischen Kanzleien muss sicher eher ein Allrounder und „hands-on“ sein. Wichtig ist dann aber auch ein entsprechender Unterbau, über den wir vorhin schon gesprochen haben. Die Next 6 brauchen wohl eher jemanden, der strategisch (voraus)denkt und die Partner zusammenhält. Das müssen die Partner aber auch zulassen.
Reden wir über Erfolgsfaktoren. Wenn Sie auf den Punkt bringen müssten, was der COO – neben fachlichen Voraussetzungen – auf jeden Fall mitbringen muss, um erfolgreich zu sein, was wäre das aus Ihrer Sicht?
Thomas Werner: Ich würde sagen, dass eine Nähe zum Berufsstand unabdingbar ist. Dazu muss man nicht selbst Steuerberater oder Anwalt sein. Aber man muss sich auf diese Menschen einstellen, sprachlich und kulturell. Und man muss sie mögen. Sonst wird das nichts. Das notwendige Fingerspitzengefühl muss da sein, das kann man sich nicht erarbeiten. Man muss seine Rolle in der Partnerversammlung verstehen und emotional überleben, wenn man mal als Blitzableiter fungiert. Kommunikation und Kultur in Partnerschaften sind sehr unterschiedlich und da wartet auch gerne mal ein Wespennest, in das man unversehens gerät. Rhetorisch wird auch gerne mal scharf geschossen, und wenn man das nicht gewöhnt ist, kann es schnell schwierig werden.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist es, einen klaren Plan für den Aufbau einer funktionierenden Organisation zu haben, sich den beschriebenen Unterbau zu schaffen. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass der COO gute Leute an den Start bekommt. Diese Menschen für die Kanzlei auszubilden und zu entwickeln, macht mir große Freude.
Wir reden also über einen Führungsjob. Einerseits „führt“ der COO die Partner auf eine gewisse Art durch vorausschauendes Denken, durch die Erarbeitung von Konzepten und Entscheidungsgrundlagen, zugleich führt er die nachgeordneten zentralen Bereiche.
Thomas Werner: Sehe ich auch so. Und wer führt, darf sich nicht im Detail verlieren. Das ist das Problem vieler Bürovorsteher. Es kann eben nicht sein, dass der COO sich, überspitzt ausgedrückt, um die Winterreifen der Dienstwagen kümmert.
Was ich sehr schätze, ist der Spielraum, den ich als COO habe. Ich kann für mich entscheiden, wie stark ich mich in Operations-Themen einbringe und wieviel Zeit ich für die strategische Weiterentwicklung reserviere. Aber ich muss mir diese Freiräume auch schaffen und sie für mich nutzen.
Wieviel Platz nimmt in Ihrer Rolle das Werben für Ideen und das Verkaufen von Konzepten ein?
Thomas Werner: Es gelten die Elemente des Elevator Pitches: Man muss sein Konzept von A bis Z rund und zu Ende gedacht, auf alle Fragen eine Antwort haben. Und dann kann ich eine Stunde mit den Kollegen in die Diskussion gehen. Die Kollegen sind professionell darauf trainiert, das einzige Haar in der Suppe zu finden. Wer da nicht klar sortiert ist und seine Statements knallhart unterlegen kann, läuft Gefahr, sein Gesicht zu verlieren. Und dann ist man bei den Partnern ganz schnell unten durch, wenn ich das so salopp sagen darf.
Lassen Sie uns doch zum Ende mal einen Ausblick wagen. Was ist Ihre Einschätzung, wie sich die Rolle des COO in Kanzleien in den nächsten Jahren entwickeln wird?
Thomas Werner: Ich komme bei meinen Überlegungen vom Bedarf her. Ich beobachte zum Beispiel die Wechsel an der Spitze der größeren MDP-Einheiten. Da übernehmen jüngere Partner das Ruder, die wenig bis gar keine Erfahrung im Management einer Professional Service Firm haben. Und die müssen plötzlich ein Dickschiff steuern und tragen Verantwortung für 1.500 – 2.000 Leute, sitzen gedanklich aber noch immer inmitten der Partnerschaft. Und da treten Defizite häufig erschreckend deutlich zu Tage. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Management solcher Einheiten zwangsläufig Unterstützung bei Menschen mit Beratungs- und Change-Erfahrung holen muss. Und das sollten dann auch Menschen sein, die die Branche gut kennen. Diese Notwendigkeiten entstehen zeitlich etwas versetzt auch in mittelständischen Einheiten. Wahrscheinlich geht es den meisten Einheiten gefühlt noch zu gut, dennoch geht die Entwicklung sicher hin zu professionellen Strukturen im Management.
Thomas Werner verfügt in Summe über mehr als 20 Jahre Managementerfahrung in Professional Service Firms in unterschiedlichen Rollen und Funktionen. Seit rund zwei Jahren ist er COO in der multidisziplinären Beratungsgesellschaft MÖHRLE HAPP LUTHER in Hamburg. Sein Einstieg in die Kanzleiwelt erfolgte nach dem Studium als Assistent der Geschäftsführung in der Kanzlei Droste in Hamburg, die später mit Lovells fusionierte. Dort war er dann als Finance Director tätig. Danach war er in gleicher Funktion für 7 Jahre bei White & Case. Es folgten Stationen als COO bei Roever Broenner Susat und in der Folge, nach dem Zusammenschluss, bei MAZARS.
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