Innovation als Treiber der Kanzleientwicklung

Alle reden über Digitalisierung. Dabei sind die Einschätzungen und Herangehensweisen sehr unterschiedlich. Alex Sieben hat dazu ein Gespräch mit zwei Kanzleiexperten geführt und sie nach Ihren Bewertungen und Einblicken gefragt. Dirk Brandt und Christian Weiss sind die Managing Partner von Kanzleivision, einem Unternehmen, das als Digitalisierungs- und Innovationsmanager für Steuerberatungsgesellschaften tätig ist.

Wie bewertet Ihr den aktuellen Stand der Digitalisierung in deutschen Steuerberatungsgesellschaften?
Christian Weiss: Seit Ende März dieses Jahres muss man keinen Angestellten und keinen Arbeitgeber mehr von der Notwendigkeit der Digitalisierung überzeugen. Wir haben alle gemerkt, wie hilfreich die verschiedensten Tools sein können. Die Frage, die wir uns nun alle stellen müssen, lautet „Was brauche ich wirklich?“. Zwar ist die Pandemie noch nicht vorbei, aber der nächste logische Schritt ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Arbeitsweise mit digitalen Produkten. Welche Tools haben einen langfristigen Nutzen für die Kanzlei und welche dienten lediglich der Überbrückung. Um dauerhaft erfolgreich zu sein, ist es nicht entscheidend, irgendein Tool zu haben, sondern das für die langfristigen Anforderungen Passende. Kanzleien sollten ihre Entscheidungen an ihren individuellen Bedürfnissen ausrichten und dabei auch die Überlegungen zur Kanzleistrategie im Blick haben. Wir stellen fest, dass einige Kanzleien schon sehr weit in der Umsetzung sind, andere sind noch mitten in der Diskussion über die digitale Transformation, bei manchen haben wir den Eindruck, dass klassische Verdrängungsmechanismen einsetzen.

Innovation ist der Treiber von Digitalisierung. Wie viel Innovation steckt in digitalen Lösungen?
Dirk Brandt: Digitale Lösungen sind oftmals die Transformation eines analogen Prozesses, deren Vorteile in der Effizienzsteigerung liegen. Man darf aber nicht glauben, dass jede digitale Lösung eine echte Innovation ist. Wir denken, dass wirklich Innovative ist der Blick auf einen bestehenden Prozess aus einer neuen Perspektive. Die daraus resultierende neue Herangehensweise im Sinne der Optimierung ist die Innovation. Innovation entsteht dadurch im Kleinen und oftmals vor der Implementierung einer digitalen Lösung und macht sich bei der Anwendung bemerkbar. Es ist also weniger die Software, als vielmehr der neue Prozess, in dem die Innovation zu finden ist.

Innovation ist immer mit Neuem verbunden. Neues macht vielen Angst. Wie kann man Menschen diese Angst nehmen und den Change in der Belegschaft umsetzen?
Christian Weiss: Innovation ist ein großes Wort. Oft sind es eher eine andere Sicht auf die Dinge und eine andere Bewertung, die eine Neuausrichtung nach sich ziehen. Dennoch bleibt es für viele etwas Neues und Unbekanntes. Daher ist es wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Weg mitzunehmen und die Aversionen gegen die neuen Arbeitsweisen abzubauen. Dabei ist es entscheidend, die Vorteile herauszustellen und die Module erlebbar zu machen. Wir brauchen die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wollen Sie mit der Technologie unterstützen. Die Ernennung eines Digital Manager, als internes Sprachrohr und Treiber des Projektes, ist ein entscheidender Faktor für das Gelingen der Transformation.

Welche Faktoren braucht es, um in der Zukunft langfristig als Steuerkanzlei erfolgreich zu sein?
Dirk Brandt: Es ist völlig klar, dass keine Innovation Kunden ersetzen kann. Aber Innovation ist erforderlich, um Kundenansprüchen dauerhaft gerecht werden zu können. Der Anspruch an die Kanzleien ist in der letzten Zeit gestiegen. Daher ist der Weg vorgegeben und dafür brauchen Kanzleien einen Plan. Eine strategische Roadmap, offene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Blick über den Tellerrand und Einschätzungen und Bewertungen von externen Experten sind wichtige Erfolgsfaktoren für die Zukunft.

Eine abschließende Frage: Was hat Euch dazu bewogen Kanzleivision zu gründen?
Christian Weiss: Wir Gründer haben alle sehr viel Erfahrung auf der Angestelltenseite in der Steuerbranche gesammelt. Dabei haben wir festgestellt, dass viele Kanzleien zu sehr mit ihrer Kernkompetenz, der Steuerberatung, beschäftigt sind. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Unternehmens und zu Fragen der Transformation kommen häufig zu kurz. Es ist oftmals nicht der fehlende Wille, sondern ein Zeitfaktor. Wir wollen dies ändern, indem wir als Experten mit dem Wissen um die Bedürfnisse der Steuerkanzleien diesen Part den Kanzleien abnehmen. Wir wussten um die Vorteile und hatten den nötigen Innovationsdrang. Und der Erfolg gibt uns zum Glück recht.

 

Das Interview wurde geführt von

Alexander Sieben ist Diplom Ökonom und Gründungspartner von SIEBEN&PARTNER. Er war lange Jahre in einer namhaften Unternehmensberatung tätig. Dort hat er u.a. den Bereich Marketing und Vertrieb für die Mittelstandsberatung aufgebaut und war im Bereich Business Development tätig. Seine derzeitigen Beratungsschwerpunkte sind Kanzleistrategie, Kanzleimarketing sowie die digitale Transformation von Kanzleien.