5 Dinge, die Kanzleien von Consultingfirmen lernen können
Ein Blick über den Tellerrand könnte helfen
Die Welt der Professional Services Firms ist bunt – ein weites Feld mit sehr unterschiedlichen Akteuren und Ausrichtungen- und damit verbunden die Chance, vom Wissen anderer zu profitieren. Doch meist schmoren die Menschen im wohlbekannten eigenen Saft. Erschwerend hinzu kommt häufig die Vorstellung, dass die eigene Branche doch so besonders sei, dass man unmöglich Dinge aus verwandten Branchen übertragen könne. Dabei gibt es durchaus Bereiche, in denen selbst Berater noch etwas von Beratern lernen könnten – wenn sie es denn wollen. Die folgende Kolumne vergleicht die Welt der Unternehmensberatung mit der Welt der Wirtschaftskanzleien – zwei Branchen die der Autor aus eigener Anschauung sehr gut kennt. Der Schwerpunkt liegt auf dem Bereich der Marktbearbeitung, weil gerade hier für Wirtschaftskanzleien zahlreiche Potentiale schlummern.
1. Das Geschäft kommt nicht von alleine
Die Erkenntnis, dass Mandanten nicht unbedingt mehr von selber den Weg in die Kanzlei finden und man sich wohl (oder übel) aktiver am Markt tummeln muss, ist inzwischen in der Kanzleiwelt angekommen. Der zunehmende Wettbewerb um lukrative Mandanten und Mandate und die steigenden Erwartungen der Mandanten haben dazu geführt, dass auch mittelständische Kanzleien sich stärker mit diesem Themenfeld auseinandersetzen. Klassische Unternehmensberatungen sind hier um einiges weiter. Dies hat verschiedene Gründe:
- die Wettbewerbsintensität ist schon längere Zeit hoch
- es gab in den letzten Jahrzehnten stets Höhen und Tiefen im Geschäftsverlauf
- Geschäftsentwicklung erfolgt stärker zahlengetrieben
- Notwendigkeit zum aktiven Verkauf der eigenen Leistung ist allgemein akzeptiert
- Vertrieb ist zumeist professionell organisiert und in der Unternehmensführung verankert
- die unternehmerische Komponente ist in der Regel stärker ausgeprägt
2. Verkaufen: Unwort oder Selbstverständlichkeit
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Unternehmensberatungen und Kanzleien ist, dass es in klassischen Beratungsgesellschaften eher als selbstverständlich angesehen wird, dass die eigenen Dienstleistungen auch verkauft werden müssen. Und die Menschen in der Beratung gehen dies auch aktiv an. In Kanzleien hingegen sind die Begriffe „Vertrieb“ oder „Verkauf“ häufig negativ besetzt. Fragt man Anwälte, was Ihnen zum Stichwort „Verkauf“ einfällt, kommen Assoziationen wie „Drückerkolonne“ oder das Klischee vom Staubsaugerverkäufer. Bei Kanzleien wird es da schwierig, wo klassisches Marketing aufhört und aktives Verkaufen anfängt. Das hängt sicher mit dem Selbstverständnis vieler Anwälte zusammen. Viele Anwälte fühlen sich in ihrer fachlichen Arbeit deutlich wohler als in einer von Natur aus weniger berechenbaren Akquisesituation. Da das Feld der Akquisition für die meisten ein ungewohntes und zugleich unbeliebtes Terrain darstellt („Ich bin doch nicht Anwalt geworden, damit ich mich verkaufen muss!“), werden die damit unausweichlich verbundenen Tätigkeiten vermieden. Ihre knappe Zeit verwenden Anwälte dann lieber für den x-ten Fachaufsatz, anderweitige Veröffentlichungen oder Auftritte im Rahmen von Fachtagungen und Symposien. Häufig mangelt es auch an der notwendigen Übung, Erfahrung und dem nötigen Handwerkszeug (Vorgehensweisen, Systematik, Methodik).
Auch Unternehmensberater sind nicht immer die geborenen Verkäufer. Es ist aber zu beobachten, dass sie sich mit größerer Selbstverständlichkeit aktiver am Markt bewegen und die Grenze bis zum Verlassen der Komfortzone weiter gesteckt ist. Sicherlich geschieht dies nicht in jedem Fall mit purer Begeisterung – der Druck ist auch ein anderer. Dies liegt wiederum daran, dass klassische Unternehmensberatungsgesellschaften anders organisiert und geführt werden.
3. Vertrieb als systematischer Prozess
Überspitzt formuliert findet Vertrieb in Kanzleien professionell opportunistisch statt. Es beginnt mit der Umsatzplanung. Diese erfolgt in der Regel Top-Down, in dem auf die Umsätze der Vorjahre x% zugeschlagen werden. Alle Partner starten ambitioniert in das neue Geschäftsjahr, unterjährig hat man lediglich ein „Gefühl“ dafür, wo man ungefähr beim Umsatz rauskommt (wirkliche Zahlen liegen selten vor) und am Ende sind alle zufrieden, weil man das gesteckte Ziel mehr oder weniger erreicht hat (wie der Kölner sagen würde: „Et hätt noch immer jot jejange“).
Unternehmensberatungen, zumal wenn sie sich strategischen oder betriebswirtschaftlichen Themen widmen, gehen anders an das Thema heran – Ausnahmen bestätigen hier genau wie bei den Kanzleien die Regel. Eine Umsatzplanung erfolgt sowohl Top-Down als auch Bottom-Up. Das heißt, dass der Umsatz nicht nur in Summe geplant (Vorjahr + x%), sondern auch auf die wichtigsten Kunden (Key-Accounts) und auf potentielle Kunden herunter gebrochen wird und diese Umsatzziele sich dann auch in den Zielvereinbarungen der Partner und Berater wiederfinden. Zum Teil geht man sogar so weit, nicht nur auf Ebene des Kunden die Umsätze zu planen, sondern diese auf potentielle Projekte herunter zu brechen. Dabei ist sicher auch viel „Glaskugel“ im Spiel und man kann diese Form der detaillierten Planung auch übertreiben. Sie hilft aber enorm, den Vertriebsprozess bereits in der Planungsphase systematisch aufzusetzen und die bestehenden Potentiale gezielt anzugehen. Im Jahresverlauf erfolgen dann eine fortlaufende Kontrolle der Vertriebsperformance und eine Gegenüberstellung der geplanten und erreichten Zahlen (Soll-Ist-Vergleich). Darüber hinaus wird auf Basis der bestehenden Geschäftschancen (Opportunities) ein Forecast erstellt, der Auskunft darüber gibt, ob die geplanten Zahlen zum Ende des Geschäftsjahres erreicht werden können.
4. Erfolgreiche Nutzung von CRM
Der Einsatz von Technik zur Optimierung von Geschäftsabläufen ist in Unternehmensberatungen naturgemäß weiter fortgeschritten. Schließlich sind Unternehmensberater hier in ihrem Element. Entsprechend werden auch in der eigenen Organisation Tools und Systeme zur Verbesserung der internen Prozesse eingesetzt. Ein wesentliches Thema ist hierbei der Einsatz von CRM (Customer-Relationship-Management) – Systemen. Auch in Kanzleien ist zu beobachten, dass solche Systeme nach und nach angeschafft werden (auch wenn die meisten Kanzleien noch das gute alte Excel zur Verwaltung von Adressdaten einsetzen). Dabei bleiben jedoch die eingesetzten Funktionen und der erreichte Nutzen häufig weit hinter den Möglichkeiten zurück.
Zunächst lassen sich CRM-Systeme zur zentralen Verwaltung von Adressdaten nutzen. Dies können sowohl die Kontaktdaten von bestehenden Mandanten als auch die Adressen potentieller Mandanten sein. Diese Adressen werden dann für Marketing- und Vertriebskampagnen, z.B. Einladung zu Veranstaltungen oder Aussendung von Newslettern, genutzt. Im besten Fall sind die Adressen entsprechend kategorisiert (nach Branche, Unternehmensgröße, Interessengebieten, …), so dass im Sinne einer gezielten und systematischen Marktbearbeitung („Business Development“) vorgegangen werden kann.
Wenn Kanzleien CRM nutzen, beschränkt sich der Einsatz in der Regel auf diese Grundfunktionen. Unternehmensberatungen setzen ihr CRM-System häufig über den gesamten Vertriebsprozess hinweg ein und nutzen weitere Funktionalitäten, die jedes bessere CRM-System in der Grundausstattung mitbringt. Ein wesentlicher Nutzen ergibt sich aus der Dokumentation der Kontakthistorie. Wesentliche Informationen zum Kontakt werden im CRM-System hinterlegt. Dazu gehört z.B. wer mit wem wann zu welchem Thema gesprochen hat, wichtige Dokumente (z.B. Angebote) können hier abgelegt werden und über eine Erinnerungsfunktion wird sichergestellt, dass Vereinbarungen (z.B. Wiederanruf nach x-Wochen) eingehalten werden. Dies erfordert neben der notwendigen Disziplin v.a. auch die Bereitschaft, solche Informationen mit Kollegen zu teilen. Und hier fängt es in so mancher Kanzlei an, schwierig zu werden. Dabei ist gerade der Zugriff auf diese Informationen extrem wichtig, wenn z.B. ein Mitarbeiter überraschend für einige Zeit ausfällt oder gar das Unternehmen verlässt.
5. Steuerung des Vertriebsprozesses
Unternehmensberatungen setzen ihr CRM-System auch ein, um den Vertriebsprozess zu steuern. Das bedeutet, dass jeder potentielle Beratungsauftrag, bei dem der Mandant mindestens Interesse gezeigt hat, als Geschäftschance im CRM-System hinterlegt wird. Zu den wesentlichen Informationen gehören dabei das voraussichtliche Volumen des Mandats, die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Auftrag kommt und der voraussichtliche Geschäftsabschluss. Dieses Vorgehen setzt bei dem oben beschriebenen Vorgehen zur Umsatzplanung an. Nur wenn ich die potentiellen Aufträge kenne, bin ich in der Lage, überhaupt einen Forecast abzuliefern. Über die o.g. Informationen kann ich dann ermitteln, mit welchen künftigen Umsätzen zu rechnen ist. Dies ist ein Einsatzbereich, der in Kanzleien zumeist auf völliges Unverständnis stößt („So funktioniert unser Geschäft nicht.“). Doch so groß sind die Unterschiede in Wirklichkeit nicht und das Grundprinzip ließe sich auf jedes Unternehmen übertragen, dass komplexere Dienstleistungen verkauft. Voraussetzung wäre aber auch hier die Bereitschaft, solche Informationen mit Partnerkollegen zu teilen und in der Konsequenz müsste man sich dann vielleicht auch die eine oder andere Frage gefallen lassen, warum die dann messbare Performance so unterschiedlich ausfällt.
Dies waren nur einige der Bereiche, bei denen Berater etwas von Beratern lernen könnten. Es ließen sich noch weitere Themenfelder z.B. im Bereich des Talentmanagements oder der Personalführung aufzeigen, bei denen es in der Kanzleiwelt noch Potentiale gibt. Umgekehrt gibt es natürlich auch Themenfelder, bei denen Unternehmensberater von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern lernen könnten. Wenn die Menschen denn offen sind und wenn es gelingt, Dinge so zu erklären und ggfs. zu adaptieren, dass eine breite Akzeptanz sichergestellt wird.