Der COO in Rechtsanwalts-, Steuerberatungs- und WP-Gesellschaften – kurzfristiger Trend oder echtes Zukunftsmodell?

Immer häufiger begegnen uns Kanzleien, die über neue Führungs- und Management-Strukturen nachdenken. Als eine Folge davon ist zu beobachten, dass größere Einheiten eine COO-Position schaffen. Wir haben dazu mit Thomas Werner gesprochen, der seit über 20 Jahren mit dem Management von Kanzleien unterschiedlicher Größe und Ausrichtung vertraut ist. Phasenweise glich das spontan verabredete Interview einem Erfahrungs- und Gedankenaustausch, was darin begründet sein mag, dass Thomas Werner über Jahre hinweg Kanzleien beraten und unterschiedliche Interim-Funktionen übernommen hat. Aktuell ist Thomas Werner COO in der multidisziplinären Beratungsgesellschaft MÖHRLE HAPP LUTHER in Hamburg. Wir haben ihn im 12. Stock des sehr markanten ehemaligen SPIEGEL-Gebäudes zu diesem Austausch getroffen.

Zunehmend denken jetzt auch mittelständische Kanzleien darüber nach, eine COO-Stelle zu schaffen. Die Idee, sich einen Profi für das Kanzleimanagement zu holen, ist nicht wirklich neu, scheint aber Wind auf die Segel bekommen zu haben. Sie haben persönlich viel Erfahrung als COO in Anwalts- und MDP-Kanzleien gesammelt. Wie ist Ihre Einschätzung?
Thomas Werner: Es begann für mich im Jahre 2000 mit dem Zusammenschluss von Boesebeck Droste mit Lovells. Lovells als britische Kanzlei hatte auf globaler Ebene bereits sowohl einen CFO als auch einen COO. Die hatten das als Dualität aufgebaut, wo der CFO die Finanzen verantwortete und der COO die restlichen Zentralbereiche, also Marketing, Personal und IT. Anschließend war ich bei White & Case. Da war das genauso.

In Deutschland tun sich die mittelständischen Kanzleien mit dem Konstrukt COO noch schwer, weil es von der Definition der Rolle her völlig unklar ist, was so jemand macht. Der typische Partner kommt aus der Welt „Ich und meine Sekretärin und meine Associates“. Das ist die Welt, in der er lebt. Wenn dann ein COO oder auch Kanzleimanager dazukommt, leiden mittelständische Kanzleien darunter, dass sie für sich nicht wirklich klar haben, wen sie haben wollen und wozu sie den COO brauchen. Will ich einen typischen Bürovorsteher alter Schule haben, der Sekretärinnen ein- und ausstellt, darauf achtet, dass der Flur ordentlich gesaugt ist und der die Umzüge organisiert? Da endet oft die Kompetenz des einen oder anderen Bürovorstehers – sowohl fachlich als auch was die Sozialkompetenz angeht. Das passt wunderbar, wenn ich in einer kleineren Einheit unterwegs bin mit wenigen Berufsträgern; schon für ein größeres mittelständisches Unternehmen reicht das aber nicht.

Was ich seit 2010 im Mittelstand beobachtet habe ist, dass sich mittelständische Kanzleien intensiver Gedanken gemacht haben, ob sie eine COO-Position schaffen wollen und wie sie ausgestaltet sein sollte. Als ich 2010 zu Roever Broenner Susat ging, hatten die Partner das sogar im Partnerschaftsvertrag festgeschrieben. Wenn es im Partnerschaftsvertrag steht, zeigt das, dass es Diskussionen gab und die Partner ein Ziel vor Augen haben. Aber diese Diskussion ist damit noch lange nicht zu Ende. Bei manchen Einheiten war das Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Thema, dass der Bürovorsteher den Titel COO bekam, aber an seiner Rolle änderte sich nichts.

Kürzlich hörten wir aus einer größeren Kanzlei die Aussage, man wolle sich mit einem „Verwaltungsleiter“ verstärken. Ist das nicht zu kurz gesprungen?
Thomas Werner: Für mich liegt ein entscheidender Punkt im Grundverständnis davon, wie ich den COO in einem Top-Management Gremium einordne: Mindestens ersetzt ein COO 1:1 Partnerzeiten, nämlich wenn das Management vom COO fertige Unterlagen für die zu treffenden Entscheidungen bekommt. Darin sehe ich einen hohen Wertbeitrag eines COO, denn in der Regel ist es ja so, dass die umsatzstarken Partner in das Management gewählt werden. Und die haben häufig eigentlich keine Zeit, weil sie sehr stark in der Mandatsarbeit und in der Betreuung der Mandanten stecken. Folgerichtig wird der COO in internationalen Law-Firms wie ein Equity Partner bezahlt. Das honoriert den Wertbeitrag und ist ein klares Statement an die Partner zur Einordnung des COO. In Angelsächsischen Kanzleien habe ich erlebt, wie stark der COO Druck machen und die Partner unter anderem zum Abrechnen antreiben kann. Hierin steckt ein wesentlicher Beitrag zur Steigerung der Profitabilität. Das kann – und soll – ein Verwaltungsleiter nicht leisten.

Haben Sie den Eindruck, dass die COO-Rolle inzwischen eher akzeptiert wird?
Thomas Werner: Ich glaube vor allem, dass sie besser akzeptiert wird, wenn wichtige Fragen vorher geklärt worden sind. Ist das nicht der Fall, gerät „der Neue“ ganz schnell zwischen alle Stühle. Daher sehe ich einen großen Wert darin, wenn die Partnerschaft mit Hilfe externer Berater eine verbindliche Kanzleistrategie entwickelt und dabei – quasi als Nebenprodukt – die Rolle des zukünftigen COO genauer definiert. Ich verwende mittlerweile ein Dreieck, um die möglichen Rollen und grundlegenden Aufgaben eines COO zu verdeutlichen. Einen COO kann man als CEO (1. Ecke) ansiedeln, der hat dann wirklich was zu sagen. Die andere Option (2. Ecke) ist der Dienstleister, also der Bürovorsteher. Und die dritte Option ist der COO als interner Berater. Und irgendwo in diesem Dreieck kann der COO sein Kreuz machen und definieren, wo er seinen Schwerpunkt sieht.

Meine Erfahrung im Mittelstand zeigt mir, dass man als interner Berater anfangen muss. Und ich sage dann zu den Partnern: „Ihr seid die Eigentümer, ihr tragt das unternehmerische Risiko. Wenn Ihr mich dabeihaben wollt, könnt Ihr auf mich zählen. Ihr müsst mich dann allerdings in die Entscheidungsfindung einbinden und mir Kompetenzen für die Umsetzung geben.“ Ich schaue mir die kritischen Themen an und gehe diese nach und nach an.

Wenn wir mit Partnern in mittelständischen Einheiten sprechen, hören, sehen und spüren wir, dass die Partner im Management eine enorme Belastung schultern – von der Mandatsseite her sowieso, aber eben auch in der Rolle des geschäftsführenden Partners. Sie müssen sich zum Teil mit Details, „Gedöns und Adminkram“ rumschlagen, sind also mit Sachen befasst, für die sie im Übrigen gar nicht ausgebildet sind. Spricht man sie dann aber auf die mögliche Entlastung durch die Schaffung einer COO-Position an, wird aus der „Entlastung“ in der Antwort reflexartig eine „Wegnahme“. Wir werden jedenfalls den Eindruck nicht los, dass es immer noch eine Art Wettstreit um Kompetenzen und Verantwortungsbereiche gibt und die Delegation von Aufgaben aus diesem Grund schwerfällt.
Thomas Werner: Da kommen ja einige Punkte zusammen: Das eine ist das Thema Vertrauen. Wenn ich jemanden als gleichberechtigt in meinen Kreis reinlasse, ist das immer noch etwas Anderes, als wenn ich einen Verwaltungsleiter einstelle, den ich irgendwie rumkommandieren kann. Das zweite ist das Thema Vergütungsmodelle. In mittelständischen Einheiten ist es so, dass ich mich in ein komplexes Gesamtsystem hineinbewege. Offiziell heißt es meistens, uns interessieren primär die Umsätze. Es kommen einige qualitative Kriterien dazu, aber ausschlaggebend sind am Ende die Umsätze. Dann geht es damit weiter, dass für die Funktion im Management eine zusätzliche Vergütung fließt. Wenn ich dann aber einen COO reinnehme und ein Gremium mit zum Beispiel vier Partnern auf zwei oder nur einen Partner + COO runterdampfe, heißt es für zwei oder gar drei der Partner „zurück ins Geschäft“. Für sehr umsatzstarke Partner ist das kein Problem. Die wollen vielleicht nur sichergestellt haben, dass sie bei wichtigen Entscheidungen eingebunden werden. Das Problem liegt eher bei den umsatzschwächeren Partnern, für die eine vollständige Rückkehr ins Mandatsgeschäft keine einfache Option ist. Wenn Sie als Berater auf diese Situation treffen, können Sie sicher sein, dass da eine Menge an Beratungsbedarf besteht.

Wie war Ihr Einstieg hier bei Möhrle Happ Luther?
Thomas Werner: Ich darf vorweg sagen, dass Möhrle Happ Luther vielleicht die Gesellschaft in Deutschland ist, auf die der Begriff multidisziplinär am besten zutrifft: Die Partner kommen etwa je zur Hälfte aus der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung bzw. der Rechtsberatung. Es gab bei MÖHRLE HAPP LUTHER eine intensive Diskussion über Governance-Fragen vorneweg. Aus dieser Diskussion heraus war klar, dass man einen COO etablieren will. Ich bin hier vor zwei Jahren gestartet und sehe mich in meiner Rolle in einer Mischung aus Berater und CEO. Ich habe das Glück, hier mit zwei sehr aufgeschlossenen und starken Partnern im Geschäftsführenden Ausschuss zu sitzen, und konnte die Partnerschaft bisher recht gut mitnehmen, weil ich viel erkläre: Warum sollten wir uns mit dem einen oder anderen schwierigen Thema beschäftigen, wie können mögliche Lösungsansätze aussehen und warum empfehle ich ein bestimmtes Vorgehen.

Wie funktioniert die Einbindung in grundsätzliche Entscheidungen? Nach unserer Auffassung ist es unerlässlich, dass der COO als gleichberechtigter Partner mit am Tisch sitzt – und das nicht als Protokollführer. Wie ist das hier?
Thomas Werner: Ich sitze mit am Tisch und moderiere die Sitzungen auch. Dafür braucht es besondere Skills; man muss das wirklich können. Eine solche Gruppe zu moderieren, lernt man nicht in der Linie. Da helfen ein gutes Netzwerk und Berater-Skills; deshalb trifft man in internationalen Kanzleien häufig auf ehemalige Unternehmensberater. Die leiden allerdings manchmal darunter, dass sie von den Operations keine Ahnung haben. Sie brauchen daher einen starken Unterbau, der das operative Geschäft versteht. Wenn eine Partnerschaft den COO-Job ausschreibt, muss sie sich schon fragen, wen sie haben will: ein hochkarätiger Strategieberater mit dem entsprechenden Auftreten und dem Anspruch auf eine ambitionierte Vergütung ist für die meisten Mittelständler kaum vermittelbar und keine optimale Wahl. Umgekehrt sollte eine Partnerschaft an einen ‚Verwaltungsleiter‘ in aller Fairness keine überzogenen Erwartungen haben. Insbesondere was die Entwicklung und Profitabilität der Partnerschaft angeht. Hier kann der richtige COO allerdings viel bewirken. In meiner Zeit bei RoeverBroennerSusatMazars haben wir den Umsatz auf € 135 Mio. bei meinem Ausscheiden verdoppelt.

Wenn der COO für eine echte Transformation antritt, braucht er dafür nach unserer Erfahrung etwa drei bis vier Jahre. Erledigt sich die Aufgabe des COO nicht, wenn die wesentlichen Themen vorangebracht und die wichtigen Projekte nach Ablauf dieser Zeit abgeschlossen sind?
Thomas Werner: Nach meiner Erfahrung hängt das sehr stark am Zusammenspiel mit den Board-Mitgliedern. Funktioniert die Chemie im Geschäftsführenden Ausschuss oder nicht. Solange diese gut funktioniert, ist die gemeinsame Arbeit eigentlich unbegrenzt. Man muss hier ein wenig differenzieren hinsichtlich echten Restrukturierungsjobs, die es ja auch gibt, wo die Gesellschaft zurück „on track“ kommen muss und harte Einschnitte daher oftmals unumgänglich sind. Das Überleben der COO, aber auch viele Managing Partner nur 3-4 Jahre.

Eigentlich ist der COO doch eine Art Trusted Advisor, nur dass er im Hause angesiedelt ist. Das erfordert die Fähigkeit, Aufgaben zu sehen, wenn Andere sie noch nicht als solche erkannt haben, sich reinzudenken, praktikable Konzepte vorzulegen, die Diskussion zu strukturieren, sie aktiv zu steuern, Entscheidungen vorzubereiten etc. – immer wissend, dass vom gegenseitigen Vertrauen alles abhängt.
Thomas Werner: Tatsächlich spielt die fachliche Expertise nur begrenzt eine Rolle. Als COO ist man so breit aufgestellt, dass man nicht in allen Details eine Ahnung haben kann. Daher sehe ich im Übrigen auch eine Hauptaufgabe des COO darin, einen starken Unterbau zu schaffen.

Da kommt einer, der einen Apparat aufbauen wird! Ist das nicht genau das, was jeden Mittelständler zusammenzucken lässt, weil er genau das fürchtet – fürchten muss?
Thomas Werner: Ja, das ist die große Angst der Mittelständler. Aber es gibt ja verschiedene Treiber oder Katalysatoren, die ein Handeln unausweichlich machen. Klassisch war es das Finanz- und Rechnungswesen. Wenn man zum Beispiel keine Abschlüsse mehr erstellen kann und das Finanzamt immer mehr Druck macht, ist klar, dass da was passieren muss. Das war der Klassiker im Nachgang der Fusionen von Anwaltsgesellschaften um die Jahrtausendwende. Als neuen und stärkeren Treiber sehe ich die Digitalisierung. Da geht es am Ende um Software-Anwendungen, mit denen ich arbeite, neue Produkte generiere und mit denen ich Marge bzw. Umsatz generiere. Voraussetzung dafür sind aber funktionierende IT-Plattformen und das ist nach meiner Beobachtung das, wo Mittelständler als erstes die eigene Wirklichkeit einholt. Eine ausgewogene, auf 3 bis 5 Jahre angelegte IT-Strategie, ist die Voraussetzung für jede wirkliche Digitalisierung einer Gesellschaft.

Brauche ich dann nicht eher einen CIO?
Thomas Werner: Ich würde den COO vorschalten. Ein CIO klassischen Zuschnitts oder ein IT-Director kommt deutlich schwerer mit den Partnern klar. Das Dilemma, was ich in der IT bei mittelständischen Kanzleien sehe, ist, dass man hier auf der Ebene von Systemadministratoren und -technikern unterwegs ist. Das reicht aber nicht, um die Grundlagen für die digitale Transformation zu schaffen. Wenn man weiter reinschaut, wie ist das Storage Area Network aufgebaut, was ist mit Firewalls, Berechtigungskonzepten und Ähnlichem? Auch die Diskussion „make or buy“ muss professionell vorbereitet und zügig zu einer Entscheidung geführt werden. Die Partner in derlei Diskussionen mitzunehmen, kann nur gelingen, wenn ich ein solches Projekt als COO mit entsprechender Fachkenntnis und dem notwendigen Gespür und zugleich mit Nachdruck vorantreibe. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass sich an dieser Stelle in den nächsten 10 Jahren die Spreu vom Weizen trennen wird. Gerade in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung ist das erfolgskritisch und ein Riesenthema, weil ich ohne entsprechende Programme meine Leistungen nicht länger vernünftig und zugleich wirtschaftlich erbringen kann. Anwaltsgesellschaften bzw. Anwälte werden ihr Geld tendenziell weiterhin stark mit traditioneller Beratung verdienen, aber der Steuerberater und WP ist ohne Digitalisierung nicht zukunftsfähig.

Alle reden von Digitalisierung und jeder versteht etwas anderes darunter. Wir kennen die teils abenteuerlichen Diskussionen in Partnerschaften dazu. Den einen geht es nicht schnell genug und die anderen stehen fortlaufend auf der Bremse. Welche Rolle schreiben Sie hier dem COO zu?
Thomas Werner: Den COO sehe ich als Steuermann, der den Prozess der digitalen Transformation organisiert. Er kennt die strategische Ausrichtung der Kanzlei, leitet daraus die Maßgaben für erste Digitalisierungsschritte ab, organisiert die dafür erforderlichen Fachleute. Wenn klar ist, dass die Reise in Richtung Digitalisierung geht, muss man sie angehen. Der Markt ist in Bewegung. Und wenn der Mittelstand keine Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung hat, werden agilere Wettbewerber Marktanteile an sich ziehen.

Es kann ja kein Zufall sein, dass wir so viel über IT sprechen. Ist der COO nicht in großen Teilen auch ein CIO?
Thomas Werner: Weil da so viel in Bewegung gerät, braucht es an der Stelle einen starken COO mit mindestens IT-Affinität. Ich habe in meinen COO-Rollen viel Zeit mit IT verbracht. Wenn die IT nicht läuft, steht das ganze Unternehmen still. Ich kenne Kanzleien, die ein neues ERP-System eingeführt haben und dann sechs Monate keine Rechnungen schreiben konnten. Während der Kontostand sinkt, steigt der Blutdruck. Der COO braucht aus meiner Sicht auch die Freiheit, neue Wege zu öffnen, z.B. eine Auslagerung der IT als Option auszuarbeiten. Warum soll man nicht die IT in eine Service-Gesellschaft geben und die Kanzlei beteiligt sich daran als Ankerinvestor. Hier kann sich ein COO sogar unternehmerisch einbringen.

Wir wissen aus der Erfahrung, wie schwer es ist, überhaupt geeignete Kandidaten für die COO- oder eine artverwandte Funktion zu finden. Wenn man Ihre Aussagen auf sich wirken lässt, könnte das Bild entstehen, dass der COO ein „Tausendsassa“ sein sollte. Wo finden wir den?
Thomas Werner: Zunächst muss ich natürlich schauen, was die Bedürfnisse der Firma sind. Ein COO in mittelständischen Kanzleien muss sicher eher ein Allrounder und „hands-on“ sein. Wichtig ist dann aber auch ein entsprechender Unterbau, über den wir vorhin schon gesprochen haben. Die Next 6 brauchen wohl eher jemanden, der strategisch (voraus)denkt und die Partner zusammenhält. Das müssen die Partner aber auch zulassen.

Reden wir über Erfolgsfaktoren. Wenn Sie auf den Punkt bringen müssten, was der COO – neben fachlichen Voraussetzungen – auf jeden Fall mitbringen muss, um erfolgreich zu sein, was wäre das aus Ihrer Sicht?
Thomas Werner: Ich würde sagen, dass eine Nähe zum Berufsstand unabdingbar ist. Dazu muss man nicht selbst Steuerberater oder Anwalt sein. Aber man muss sich auf diese Menschen einstellen, sprachlich und kulturell. Und man muss sie mögen. Sonst wird das nichts. Das notwendige Fingerspitzengefühl muss da sein, das kann man sich nicht erarbeiten. Man muss seine Rolle in der Partnerversammlung verstehen und emotional überleben, wenn man mal als Blitzableiter fungiert. Kommunikation und Kultur in Partnerschaften sind sehr unterschiedlich und da wartet auch gerne mal ein Wespennest, in das man unversehens gerät. Rhetorisch wird auch gerne mal scharf geschossen, und wenn man das nicht gewöhnt ist, kann es schnell schwierig werden.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist es, einen klaren Plan für den Aufbau einer funktionierenden Organisation zu haben, sich den beschriebenen Unterbau zu schaffen. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass der COO gute Leute an den Start bekommt. Diese Menschen für die Kanzlei auszubilden und zu entwickeln, macht mir große Freude.

Wir reden also über einen Führungsjob. Einerseits „führt“ der COO die Partner auf eine gewisse Art durch vorausschauendes Denken, durch die Erarbeitung von Konzepten und Entscheidungsgrundlagen, zugleich führt er die nachgeordneten zentralen Bereiche.
Thomas Werner: Sehe ich auch so. Und wer führt, darf sich nicht im Detail verlieren. Das ist das Problem vieler Bürovorsteher. Es kann eben nicht sein, dass der COO sich, überspitzt ausgedrückt, um die Winterreifen der Dienstwagen kümmert.

Was ich sehr schätze, ist der Spielraum, den ich als COO habe. Ich kann für mich entscheiden, wie stark ich mich in Operations-Themen einbringe und wieviel Zeit ich für die strategische Weiterentwicklung reserviere. Aber ich muss mir diese Freiräume auch schaffen und sie für mich nutzen.

Wieviel Platz nimmt in Ihrer Rolle das Werben für Ideen und das Verkaufen von Konzepten ein?
Thomas Werner: Es gelten die Elemente des Elevator Pitches: Man muss sein Konzept von A bis Z rund und zu Ende gedacht, auf alle Fragen eine Antwort haben. Und dann kann ich eine Stunde mit den Kollegen in die Diskussion gehen. Die Kollegen sind professionell darauf trainiert, das einzige Haar in der Suppe zu finden. Wer da nicht klar sortiert ist und seine Statements knallhart unterlegen kann, läuft Gefahr, sein Gesicht zu verlieren. Und dann ist man bei den Partnern ganz schnell unten durch, wenn ich das so salopp sagen darf.

Lassen Sie uns doch zum Ende mal einen Ausblick wagen. Was ist Ihre Einschätzung, wie sich die Rolle des COO in Kanzleien in den nächsten Jahren entwickeln wird?
Thomas Werner: Ich komme bei meinen Überlegungen vom Bedarf her. Ich beobachte zum Beispiel die Wechsel an der Spitze der größeren MDP-Einheiten. Da übernehmen jüngere Partner das Ruder, die wenig bis gar keine Erfahrung im Management einer Professional Service Firm haben. Und die müssen plötzlich ein Dickschiff steuern und tragen Verantwortung für 1.500 – 2.000 Leute, sitzen gedanklich aber noch immer inmitten der Partnerschaft. Und da treten Defizite häufig erschreckend deutlich zu Tage. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Management solcher Einheiten zwangsläufig Unterstützung bei Menschen mit Beratungs- und Change-Erfahrung holen muss. Und das sollten dann auch Menschen sein, die die Branche gut kennen. Diese Notwendigkeiten entstehen zeitlich etwas versetzt auch in mittelständischen Einheiten. Wahrscheinlich geht es den meisten Einheiten gefühlt noch zu gut, dennoch geht die Entwicklung sicher hin zu professionellen Strukturen im Management.

Thomas Werner verfügt in Summe über mehr als 20 Jahre Managementerfahrung in Professional Service Firms in unterschiedlichen Rollen und Funktionen. Seit rund zwei Jahren ist er COO in der multidisziplinären Beratungsgesellschaft MÖHRLE HAPP LUTHER in Hamburg. Sein Einstieg in die Kanzleiwelt erfolgte nach dem Studium als Assistent der Geschäftsführung in der Kanzlei Droste in Hamburg, die später mit Lovells fusionierte. Dort war er dann als Finance Director tätig. Danach war er in gleicher Funktion für 7 Jahre bei White & Case. Es folgten Stationen als COO bei Roever Broenner Susat und in der Folge, nach dem Zusammenschluss, bei MAZARS.

 

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Das Interview wurde geführt von

ALEXANDER SIEBEN

Alexander Sieben ist Diplom Ökonom und Gründungspartner von SIEBEN&PARTNER. Er war lange Jahre in einer namhaften Unternehmensberatung tätig. Dort hat er u.a. den Bereich Marketing und Vertrieb für die Mittelstandsberatung aufgebaut und war im Bereich Business Development tätig. Seine derzeitigen Beratungsschwerpunkte sind Kanzleistrategie, Kanzleimarketing sowie die digitale Transformation von Kanzleien.

Joachim Klostermann

Joachim Klostermann ist Gründungspartner von SIEBEN&PARTNER. Als Berater, Management-Trainer und Coach liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit auf den Bereichen Kanzleistrategie, Marktbearbeitung (Business Development) und Personalentwicklung.