5 Gründe, keine Kanzleistrategie zu haben

Unser letzter Journal-Beitrag (KANZLEISTRATEGIE ALS GRUNDLAGE FÜR EINE GEZIELTE ENTWICKLUNG) hat diverse Rückmeldungen und Diskussionen ausgelöst, was uns nicht wirklich überrascht. Wir kennen diese Haltung aus vielen Gesprächen: Wozu eine Kanzleistrategie, wenn es auch ohne Strategie (oder gerade deswegen?) super läuft? Zweifellos: Eine Kanzlei erfolgreich und profitabel zu führen, geht auch ohne Strategie. Und es gibt noch ein paar Argumente mehr, die uns häufig begegnen. Letztlich muss jeder Kanzleiinhaber/Partner wissen, ob und welchem Umfang die Auseinandersetzung mit strategischen Fragestellungen für die Entwicklung der Kanzlei hilfreich und nützlich ist. Nachfolgend die 5 Hauptgründe aus Sicht derer, die sagen, dass sie keine Strategie für ihre Kanzlei brauchen:

1. Es läuft doch auch ohne Strategie sehr gut

Uns geht es doch gut. Als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer haben wir einen festen Mandantenstamm, auf den wir bauen können und in den Bereichen Buchhaltung, Steuererklärung und Prüfung haben wir regelmäßig wiederkehrendes Geschäft. In der Rechtsberatung profitieren unsere Anwälte von der zunehmenden Komplexität und Regulierungswut. Ein jährliches Wachstum von 5% ist immer drin – dafür brauchen wir keine Strategie. Der eine oder andere Mandant fällt vielleicht mal weg (z.B. durch Verkauf), aber es kommen auch regelmäßig neue Mandanten – meist durch Empfehlung. Es müsste schon viel passieren, damit sich die positive Entwicklung der vergangenen Jahre umkehrt.

2. Bei uns kommt immer der Mandant an erster Stelle

Wozu eine Kanzleistrategie? Wir orientieren uns schon immer an dem, was unsere Mandanten wollen und damit sind wir gut gefahren. Der Mandant gibt uns die Richtung vor. Solange der Mandant zufrieden ist, brauchen wir nichts zu verändern. Wenn wir weiter den Mandanten in den Mittelpunkt unseres Arbeitens stellen, kann uns nicht viel passieren. Ob wir eine Strategie haben oder nicht: Hauptsache der Mandant ist zufrieden. Er schätzt uns für unsere fachliche Arbeit und zahlt uns nicht dafür, dass wir unsere Vision in einer Hochglanzbroschüre abdrucken.

3. Strategien sind etwas für Konzerne

Konzerne haben die Zeit und das Budget, sich mit Strategiefragen auseinanderzusetzen. Und hier mag es auch Sinn machen, weil die Dinge komplexer sind und ein großer Apparat eine solche Orientierung vielleicht braucht. Als mittelständische Kanzlei haben wir den Überblick und wissen, worauf es ankommt: Zufriedene Mandanten und eine ordentliche Profitabilität. Und unser Geschäft verstehen wir selber am besten. Da brauchen wir keinen externen Berater zu engagieren, wie das Konzerne gerne tun. Die kosten nur Geld und halten uns von der Arbeit ab.

4. Bei uns hat jeder Partner seine Strategie

Wir brauchen keine Kanzleistrategie. Bei uns weiß jeder Partner, was zu tun ist. Und solange jeder mit vollem Einsatz bei der Sache ist, kommt unter dem Strich etwas Gutes für alle raus. Großkanzleien denken in Strukturen und definieren in ihren Strategien Geschäftsfelder, Praxisgruppen und ähnliches. Das bringt doch im Zweifel nur Unruhe rein. Warum soll ich unser Geschäft hinterfragen, das ich als Partner schon seit x Jahren erfolgreich betreibe, wenn ich meinen Markt und meine Mandanten im Griff habe und meine Partnerkollegen es genauso halten. Auch wenn der gemeinsame Nenner vielleicht nicht so da ist und es an der einen oder anderen Stelle auch mal ruckelt: Wenn jeder sich reinhängt, läuft der Laden.

5. Das Tagesgeschäft fordert uns zu 100 % – da bleibt keine Zeit für Kanzleistrategie

Wir haben gar nicht die Zeit, uns mit strategischen Fragen auseinanderzusetzen. Bei uns kommt der Mandant an erster Stelle und entsprechend setzen wir unsere knappe Zeit ein. Und was in der Kanzlei an organisatorischen Dingen gemacht werden muss, erledigen wir nebenbei.

Unsere Erfahrung: Kanzleistrategie als Reaktion auf zunehmende Herausforderungen

Was wir hier zugespitzt beschrieben haben, hören wir häufig in Gesprächen mit Kanzleiinhabern. Und die meisten fahren mit der Strategie, keine Strategie zu haben, aktuell auch sehr gut. Immer mehr Kanzleiinhaber stellen sich jedoch die Frage, ob es Ihnen auch in fünf Jahren noch so gut gehen wird, wenn sie nichts verändern. Die Zweifel werden größer, denn: Mandanten werden anspruchsvoller, Wettbewerber stellen sich neu auf, der Engpassfaktor auf der Personalseite nimmt immer dramatischer Züge an und alle wissen, dass die Digitalisierung immer mehr Bereiche erfassen und verändern wird.

Kanzleistrategie als Grundlage für eine gezielte Kanzleientwicklung

Eine geordnete Diskussion in der Partnerschaft über Perspektiven und Zielvorstellungen kann hilfreich sein: Zunächst sollte es darum gehen, Stärken und Schwächen der Kanzlei zu identifizieren und die Chancen und Risiken am Markt zu beleuchten. Und dann sollte man sich die Frage stellen, in welchen Bereichen und mit welchen Mandanten man in fünf Jahren sein Geld verdienen will. Wichtig dabei: nicht im Detail verlieren, vom Markt her denken und die Umsetzbarkeit im Blick haben. Ein externer Kanzleiberater kann mit seiner Sicht von außen und der Kenntnis des Kanzleimarktes Impulse und Anregungen geben und den Strategieprozess strukturieren und steuern. Außerdem kann ein erfahrener Berater sicherstellen, dass nicht nur kosmetische Maßnahmen zur Beruhigung aufgesetzt werden (z.B. eine Überarbeitung der Homepage), sondern echte Kanzleientwicklung betrieben wird. In manchen Fällen geht es auch nur vordergründig um strategische Fragen. Dahinter stehen in Partnerschaften öfter auch persönliche Befindlichkeiten oder eingefahrene Konflikte, die es verhindern, dass man sich auf eine gemeinsame Strategie verständigt. Wenn man gemeinsam die Zukunft gestalten will, ist es unerlässlich, dass Konflikte aus der Vergangenheit (die gerne auch unter den Teppich gekehrt werden), offen angesprochen werden (auf den Tisch kommen). Im besten Fall können die Konflikte gelöst und ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Wenn es keinen gemeinsamen Nenner gibt oder dieser so klein ist, dass eine echte Partnerschaft im Grunde nicht mehr besteht, müssen auch hieraus entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Auch hier kann ein externer Berater/Coach einen wertvollen Beitrag leisten.

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Dieser Artikel wurde verfasst von

Alexander Sieben

Alexander Sieben ist Diplom Ökonom und Gründungspartner von SIEBEN&PARTNER. Er war lange Jahre in einer namhaften Unternehmensberatung tätig. Dort hat er u.a. den Bereich Marketing und Vertrieb für die Mittelstandsberatung aufgebaut und war im Bereich Business Development tätig. Seine derzeitigen Beratungsschwerpunkte sind Kanzleistrategie, Kanzleimarketing sowie die digitale Transformation von Kanzleien.