Professionelles Lead-Management in Kanzleien

Neue Mandanten zu gewinnen, ist eine der zentralen Herausforderungen, wenn Kanzleien weiter am Markt bestehen wollen. Dabei erkennt die Branche langsam, dass sie sich dazu etwas einfallen lassen muss. Warum also nicht einmal über den Tellerrand auf andere Branchen schauen? Industrie- und Dienstleistungsunternehmen haben den Prozess der Kundengewinnung weitgehend professionalisiert. Kanzleien müssen in der Mandantengewinnung das Rad nicht neu erfinden. Sie brauchen nur ein wenig Mut, Phantasie und Veränderungsbereitschaft, um bestehende Best Practices auf ihre Welt zu übertragen. Der Artikel soll hierzu einige Anregungen geben.

Von anderen lernen

Es gibt kaum eine Branche, die im B2B-Geschäft nicht einem harten Wettbewerb, starkem Kostendruck und steigenden Kundenanforderungen ausgesetzt ist. Um weiter erfolgreich am Markt agieren zu können, haben Unternehmen in den letzten Jahren viel in die Weiterentwicklung ihres Vertriebs investiert. Dabei kam es vor allem auch darauf an, die Effizienz und Effektivität der vertrieblichen Aktivitäten zu erhöhen. Einer der wesentlichen Stellhebel ist die Verbesserung im Prozess der Kundengewinnung. Ziel muss es sein, aus möglichst vielen Interessenten am Ende Kunden zu generieren und diese dann in der Folge gezielt zu betreuen und zu entwickeln. Die Industrie verwendet für diesen Prozess den Begriff „Lead Management“. Ein Lead ist dabei die Information über einen potentiellen Auftrag. Liegt die Information über ein potenzielles Geschäft vor, besteht die Kunst darin, möglichst effizient zum Vertragsabschluss zu kommen und dabei die bestehenden Potenziale auszuschöpfen.

Prozessstufen und Beteiligte im Lead Management

Die obenstehende Abbildung zeigt die typischen Prozessstufen im Lead Management sowie die daran Beteiligten. Wir wollen zunächst das Vorgehen der Industrie beleuchten (linke Seite der Abbildung) und im Folgenden beschreiben, wie sich dies auf die Kanzleiwelt übertragen lässt (rechte Seite der Abbildung).

Grundsätzlich werden Marketing/PR und Vertrieb durch das Vertriebsmanagement unterstützt und gesteuert. Das Vertriebsmanagement koordiniert und überwacht die Aktivitäten und stellt sicher, dass alle Marktaktivitäten sich an der Unternehmensstrategie orientieren. Marketing und PR haben in erster Linie die Aufgabe, das Unternehmen am Markt zu positionieren und in den Blick potentieller Kunden zu rücken. Dazu gehören neben Maßnahmen zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades auch gezielte Kampagnen, über die man die Zielgruppe direkt anspricht. Im Ergebnis werden durch die Marktbearbeitung Leads generiert, d.h. im Sinne unserer Definition Information über potentielle Geschäftschancen gesammelt. Diese Informationen können aktiv zustande kommen, in dem mögliche Kunden recherchiert und direkt angesprochen werden oder die Leads kommen auf das Unternehmen zu, z.B. durch Kontaktaufnahme über die Homepage oder über Multiplikatoren. Die Leads werden dann an den Vertrieb übergeben, der die Aufgabe hat, dem Interessenten ein passendes Angebot zu machen und den Verkaufsabschluss herbeizuführen.

Qualifizierte Leads

Der wesentliche Hebel zur Effizienzsteigerung liegt in der Qualifizierung der Leads. Zur Qualifizierung eines Leads gehört die Klärung von Bedarf und Budget und das Zusammentragen der für den Vertrieb wesentlichen Informationen: Wer sind die Entscheider im Unternehmen, unter welchen Rahmenbedingungen agiert das Unternehmen, wer sind mögliche Wettbewerber der angebotenen Leistung, was ist über die langfristige Strategie des potentiellen Kunden zu erfahren, usw. Je komplexer das Produkt bzw. die Dienstleistung, um die es geht, umso detaillierter sollte die Qualifizierung und Informationsbeschaffung sein.

Schnittstelle Marketing / Vertrieb

Die Aufgabe der Qualifizierung liegt beim Marketing. Das Marketing orientiert sich dabei an zuvor gemeinsam mit dem Vertrieb entwickelten Kriterien und übergibt die Informationen dann an den Vertrieb. Im Ergebnis landen nur die wirklich wertvollen Leads beim Vertrieb; wir sprechen hier auch von qualifizierten Leads. Durch Qualifizierung und die Anreicherung mit den relevanten Informationen kann der Vertrieb sich in der Folge auf das konzentrieren, was er am besten kann: Verkaufen. An nächster Stelle im Lead Management-Prozess steht die Kontaktaufnahme durch den Verkäufer, der eine tiefere Beziehung zum Kunden herstellt, den konkreten Bedarf erfragt und – entscheidend – eine Vertrauensbasis schafft. Auf dieser Grundlage erfolgt dann schließlich die Angebotserstellung.

Gerade bei komplexeren Produkten oder Dienstleistungen kommt es im Angebot nicht nur auf die richtige Kalkulation, sondern vor allem auch auf die Darstellung von besonderen Features oder Differenzierungsmerkmalen an – kurz gesprochen die Darstellung des USP. Dabei wird das Angebot im Team erstellt und fortlaufend hinsichtlich Inhalt und Form einer Qualitätskontrolle unterzogen. Bei größeren Kunden ist im weiteren Verlauf der Gespräche in der Regel der Einkauf involviert. Verkäufer, die regelmäßig mit dem Einkauf zu tun haben, sind entsprechend geschult und auf die besondere Kommunikation mit den entsprechenden Abteilungen vorbereitet. Sie kennen die Spielregeln des Einkäufers und wissen worauf es ankommt. Die Zeiten, als man nur über gute Beziehungen zur Fachabteilung verkauft hat, sind in der Industrie nicht zuletzt aufgrund von Compliance-Vorgaben und verschiedenen Regularien längst vorbei. Die Anbieter haben sich darauf eingestellt und Ihren Vertrieb professionell auf die Einkaufsverhandlungen vorbereitet.

Rolle des Vertriebsmanagements

Zu den wesentlichen Aufgaben des Vertriebsmanagements zählt die Führung des Vertriebs. Oftmals hat das Vertriebsmanagement auch die direkte Verantwortung für das Marketing, um so die Schnittstellen zwischen den Bereichen zu optimieren und die Zusammenarbeit zu verbessern. Das Vertriebsmanagement erarbeitet die langfristige Vertriebsstrategie und richtet alle Aktivitäten danach aus. Kurzfristig muss das Vertriebsmanagement sicherstellen, dass die festgelegten Vertriebsziele erreicht werden. Dazu gehört die Erreichung der Umsatz- und Ertragsziele. Um dies sicherzustellen, braucht das Management vollständige Transparenz über die Aktivitäten am Markt und insbesondere über die laufenden Leads. Dazu gehören Informationen zu den konkreten Geschäftschancen, mit dem jeweiligem Volumen, der Wahrscheinlichkeit und dem Datum des erwarteten Geschäftsabschlusses. Nur so ist das Vertriebsmanagement in der Lage, Aussagen über die Entwicklung zu machen, daraus eine Planung abzuleiten und den Vertrieb in die richtige Richtung zu steuern. Grundvoraussetzung hierfür ist der Einsatz eines CRM-Systems zur Abbildung der aktuellen Leads mit entsprechenden Detailinformationen. Das Vertriebsmanagement ist somit der Steuermann, der Marketing und Vertrieb in Abstimmung mit dem übrigen Management auf Kurs hält und – wenn es sein muss – auch gegensteuert.

Transfer in die Kanzleiwelt

Wir kennen die Vorbehalte in Kanzleien, die Funktionsweisen anderer Branchen auf die Kanzleiwelt zu übertragen. Das Wort Vertrieb oder Verkauf kommt vielen Berufsträgern gar nicht erst über die Lippen. Trotzdem wollen wir die Begrifflichkeit hier verwenden, weil es um nichts anderes geht: Den Verkauf der Dienstleistung Rechts-, Steuerberatung oder Wirtschaftsprüfung.

Die Integration eines professionellen Lead Managements in Kanzleien beginnt mit der Analyse der Aufbauorganisation und Definition der Beteiligten. In nahezu allen Sozietäten sind die Berufsträger per se der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um das Thema Vertrieb geht, da es sich – immer noch oder mehr denn je – um eine Personen getriebene Tätigkeit (People Business) handelt. Gewiss gibt es Unterschiede in welcher Tiefe Berufsträger vom Associate bis hin zum Partner mit dem Thema Vertrieb betraut und vertraut sind; sicher auch in Abhängigkeit wie Vertriebsaktivitäten honoriert oder gar über Business Pläne eingefordert werden. Weitere Beteiligte sind – ob intern oder extern besetzt – Marketing-, Kommunikations- und Business Development-Spezialisten. Nicht nur in Großkanzleien hat man seit einigen Jahren begonnen, Supportfunktionen analog klassischer Aufbauorganisationen intern abzubilden. Zudem ist seit etwa 3 Jahren vermehrt festzustellen, dass das Management von Kanzleien – zumindest was die Organisation und sämtliche Supportfunktionen anbelangt durch eine eigens dafür geschaffene Funktion (meist in Form eines COO) wahrgenommen wird.

Klare Verantwortlichkeiten

Im nächsten Schritt muss bestimmt werden, wer die Gesamtverantwortung und Koordination des Lead Management Prozesses übernimmt; dies kann ein Gremium der Sozietät, der COO, der Managing Partner oder aber eine adäquate Supportfunktion, wie etwa Business Development, sein. Den einzelnen Prozessschritten des Lead Managements sind nun die entsprechenden Beteiligten in der Kanzlei zuzuordnen (siehe Schaubild Sieben/Weigl). Der wesentliche Unterschied zur Industrie besteht darin, dass die Berufsträger den Vertrieb und das Key-Account-Management übernehmen und das Business Development in der Regel das Vertriebsmanagement verantwortet. Somit steht die Aufbauorganisation.

Nun gilt es, den Ablauf des Lead Managements in der Kanzlei zu organisieren. Eine wesentliche Entscheidung hierbei ist die Festlegung der Kriterien zur Qualifizierung von Leads. Die zu erwartenden Umsatzgrößen, die Attraktivität des Mandanten oder die zu erwartende Profitabilität des Mandats bestimmen das weitere Vorgehen. Man muss sich klarmachen, dass dies auch dazu führen kann, dass manche Leads bewusst nicht weiterverfolgt werden.

Bei sämtlichen Prozessschritten, insbesondere ab der „Qualifizierung“ von Leads, sind entsprechende Aktivitäten und Erledigungsfristen zu vereinbaren und zu dokumentieren. In einem laufenden Controlling/Reporting ist die Umsetzung der Aktivitäten nachzuhalten. Erfahrungsgemäß sollte man sich zu Beginn auf eine überschaubare Größenordnung von Leads verständigen. So wird sichergestellt, dass alle Prozessbeteiligten den notwendigen Elan behalten und nicht in alte Muster von nicht enden wollenden (Targeting-)Listen und Maßnahmenplänen zurückfallen. Des Weiteren sollte man den Prozess zunächst so einfach wie möglich gestalten, damit er von allen angenommen wird. Eine stetige Steigerung der Professionalität, wie etwa die Hinterlegung von Sollzeiten für bestimmte Maßnahmen und Wahrscheinlichkeiten für die Realisierung von Planumsätzen sollte erst nach einer erfolgreichen Implementierung in Angriff genommen werden.

Systemische Herausforderungen annehmen

Die Integration und Professionalität eines Lead Managements steht und fällt mit einer adäquaten EDV-Lösung. Dabei ist – gerade zum Start – weniger mehr. Am Anfang kann eine einfache Excel-Tabelle stehen. Doch wenn man es wirklich ernst meint, wird man um eine integrierte CRM-Lösung nicht herumkommen. Unerlässlich ist die Abbildung historischer Informationen, die ständige Pflege und Kommunikation relevanter Daten sowie der offene Zugang aller Beteiligten. Auch in diesem Fall gilt: „Das beste System bringt nichts, wenn es nicht entsprechend genutzt wird“. Wichtig ist, dass man nach einer Systemlösung sucht, die mittel- bis langfristig in der Sozietät eingesetzt werden kann und in die Organisationslandschaft passt.

Umsetzungshürden meistern

Die größte Umsetzungshürde ist wohl die Abkehr von alt bewährten Vertriebsansätzen und der damit verbundenen Steuerung. Die Entwicklung hin zu einem konzertierten einheitlichen Vertriebsprozess unter Ausschöpfung aller Potenziale und der Anerkennung als sinnvolles Tool zur systematischen Steuerung aller Vertriebsaktivitäten muss erklärtes Ziel sein. Oftmals steht dem kein (gewolltes) einheitliches Agieren der Partner gegenüber, weil bestehende Mandantenbeziehungen nicht selten als Kunden der jeweiligen zuständigen Partner und nicht als Mandanten der gesamten Sozietät gesehen werden. Natürlich wird dies auch durch bestimmte Gewinnverwendungs- und Partnervergütungsmodelle beflügelt. Hier ist ein Umdenken erforderlich, um sich als Kanzlei insgesamt im immer dichteren Wettbewerb behaupten zu können. Eine weitere Hürde kann der erforderliche Personal-/Sach- und/oder Dienstleisteraufwand sein, um die notwendige Aufbau- und Ablauforganisation sicherzustellen. Ein kurzfristiger Erfolg steht dem zunächst meist nicht gegenüber. Nicht nur die Bereitschaft zum Anerkennen neuer Ansätze in der Akquise, sondern auch zum aktiven Mitwirken neben der Mandatsarbeit sind unerlässlich für den Erfolg eines funktionierenden Lead Managements.

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Alexander Sieben ist Diplom Ökonom und Gründungspartner von SIEBEN&PARTNER. Er war lange Jahre in einer namhaften Unternehmensberatung tätig. Dort hat er u.a. den Bereich Marketing und Vertrieb für die Mittelstandsberatung aufgebaut und war im Bereich Business Development tätig. Seine derzeitigen Beratungsschwerpunkte sind Kanzleistrategie, Kanzleimarketing sowie die digitale Transformation von Kanzleien.

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Janek Weigl ist Head of Group Legal / M&A und verantwortet derzeit weltweit die Unternehmenstransaktionen und rechtlichen Angelegenheiten der internationalen FORUM MEDIA GROUP. Zuvor war er mehrere Jahre in den Bereichen Marketing und Business Development für namhafte Kanzleien (u.a. Peters, Schönberger & Partner) tätig.

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Alexander Sieben

Alexander Sieben ist Diplom Ökonom und Gründungspartner von SIEBEN&PARTNER. Er war lange Jahre in einer namhaften Unternehmensberatung tätig. Dort hat er u.a. den Bereich Marketing und Vertrieb für die Mittelstandsberatung aufgebaut und war im Bereich Business Development tätig. Seine derzeitigen Beratungsschwerpunkte sind Kanzleistrategie, Kanzleimarketing sowie die digitale Transformation von Kanzleien.

Janek Weigl

Janek Weigl ist Head of Group Legal / M&A und verantwortet derzeit weltweit die Unternehmenstransaktionen und rechtlichen Angelegenheiten der internationalen FORUM MEDIA GROUP. Zuvor war er mehrere Jahre in den Bereichen Marketing und Business Development für namhafte Kanzleien (u.a. Peters, Schönberger & Partner) tätig.