Über den Sinn und Unsinn von CRM-Systemen in Kanzleien

Kanzleien stehen vor der Herausforderung, die direkte Kommunikation mit Mandanten – und solchen die es werden sollen – sowie deren Betreuung intelligent zu steuern. Excel, Access & Co. mögen in kleinerem Umfang helfen, Kontaktdaten zu sammeln und zu verwalten. Eine systematische Mandantenbetreuung und Marktbearbeitung ist damit nicht möglich. Entsprechend brauchen Kanzleien moderne Lösungen zum Client-Relationship-Management (CRM), die auf ihren Bedarf zugeschnitten sind. Der Artikel soll hierzu einige Anregungen und Lösungsansätze aufzeigen.

Warum überhaupt CRM

CRM-Systeme haben ihren Ursprung in der Industrie und in klassischen Dienstleistungsunternehmen. Sie dienen der Dokumentation und dem Management von Kundenbeziehungen. Ziel ist dabei sowohl die Unterstützung bei der Kundenbindung als auch bei der Gewinnung von Neukunden. Die im CRM-System gespeicherten Informationen zu Kunden und Interessenten können aggregiert und aufbereitet werden und stehen so dem Unternehmen an jeder Stelle in der passenden Zusammenstellung zur Verfügung.
Das CRM-System liefert den Unternehmen so verlässliche Daten zu bestehenden Kontakten, ermöglicht gezielte Marketing- und Vertriebsmaßnahmen und bietet dem Management die Transparenz über das laufende (und potentielle) Geschäft.
In der heutigen Kanzleiwelt werden CRM-Systeme aus den unterschiedlichsten Motiven und mit verschiedenen Detailtiefen und Verknüpfungen genutzt. So gibt es jene Sozietäten, die CRM-Systeme ausschließlich als bessere Adressdatenbank nutzen und andere, die umfangreiche Schnittstellen zu ihren Dokumentenmanagementsystemen, Abrechnungsprogrammen und Kommunikationstools haben. Ziel der Kanzleien ist es in erster Linie, mit Hilfe historischer und aktueller Daten die Betreuung aller (kanzlei)relevanten Zielgruppen zu erleichtern und zu systematisieren. So lässt sich die externe Kommunikation besser steuern; Doppelansprachen werden verhindert und bestehende Beziehungen können gezielter entwickelt werden.
Zu den Zielgruppen, die in einem CRM-System hinterlegt werden, können neben Mandanten und potenziellen Mandanten auch Multiplikatoren, Mitarbeiter, Alumna, Bewerber, Lieferanten, etc. gehören. Man spricht dann von Stakeholder-Relationsship-Management (SRM).

Der richtige Weg zu erfolgreichem CRM

Es gibt eine große Auswahl an CRM-Systemen und mittlerweile auch einige Anbieter, die sich auf den Kanzleimarkt spezialisiert haben. Oftmals schaffen sich Sozietäten sehr umfangreiche CRM-Systeme an, nutzen jedoch nur einen Bruchteil der Funktionalitäten. Problematisch ist häufig auch, dass durch mangelnde Akzeptanz und Disziplin bei Partnern und Mitarbeitern der eigentliche Zweck, nämlich eine Transparenz über die aktuellen Kontakte zu Mandanten und Interessenten, nicht erreicht wird.
Wichtig ist es, sich im ersten Schritt zu fragen, zu welchen Zwecken ein CRM-System installiert wird. Eine reine Adressdatenverwaltung braucht kein aufwendiges System. Aus den Überlegungen zum konkreten Bedarf entsteht ein klarer Anforderungskatalog. Ein zentraler Punkt ist dabei, wie die Kanzlei ihre (Außen)Kommunikation gestaltet. Mit welchen Kommunikationsmitteln werden welche Kommunikationsanlässe in welcher Frequenz bedient. Dies geht bei einfachen Dingen, wie beispielsweise den jährlichen Weihnachtsgrüßen, los und hört bei spezifischen Newslettern zu bestimmten Rechtsgebieten und Beratungsschwerpunkten auf. Hat man die Kommunikationsmittel und –anlässe definiert, muss die Frage nach der Verteilung von Informationen – automatisch oder nicht – gestellt werden. Bei der Automatisierung bestimmter Prozesse, etwa dem Versand von Newslettern oder Einladungen zu Events, gibt es gewisse Hemmschwellen. Es ist daher kritisch zu prüfen, welche Prozesse sich für eine Automatisierung eignen und dann sind die Prozesse im Detail zu definieren.

Anforderungen im Detail festlegen

Ferner muss festgelegt werden, welche Informationen im CRM-System abgebildet werden sollen. Für die eine Kanzlei ist es ein Quantensprung, endlich alle Kontaktdaten, die bisher in unterschiedlichen Quellen vorhanden waren (Outlook, Excel, Visitenkartenbox,…), in einer einheitlichen Datenbank hinterlegt und verfügbar zu haben. Andere gehen einen Schritt weiter und reichern die Kontaktdaten mit allen relevanten Kontaktinformationen an. Dazu gehören nicht nur die Vorlieben und Interessengebiete der Mandanten („spielt gerne Golf“, „interessiert sich für Fachgebiet XY“), die für eine individuelle Ansprache wichtig sind. Geht man noch einen Schritt weiter, bietet es sich auch an, die Kontakthistorie zum Mandanten im CRM-System zu dokumentieren und so für einen definierten Kollegenkreis (verantwortlicher Partner, Mitglieder der Practice Group, etc.) verfügbar zu haben.
Es gibt auch Kanzleien, bei denen das CRM-System das führende System ist. Über eine Schnittstelle zum Dokumentenmanagement (z.T. gibt es auch integrierte Lösungen) haben sie so die komplette Mandantenakte mit allen relevanten Informationen verfügbar. Moderne Tools bieten zudem die Möglichkeit, auch unterwegs über das Smartphone auf diese Informationen zuzugreifen. Geht man noch einen Schritt weiter, kann das CRM-System auch den aktuellen und potentiellen Auftragsbestand (Pipeline) abbilden – immer vorausgesetzt, dass die Daten konsequent eingepflegt werden. Erst so ist ein adäquates Leadmanagement (vgl. BB 39/2011) und eine systematische Marktbearbeitung möglich.
Die Reporting- und Controllingfunktionalitäten moderner CRM-Systeme bieten diverse Auswertungsmöglichkeiten: Erfolge (und Misserfolge) von Marketing- und Akquisitionsmaßnahmen, Informationen zu Wettbewerbern (gegen wen haben wir verloren/gewonnen?), Herkunft von Mandaten und vieles mehr. Immer vorausgesetzt, die notwendigen Daten werden abgefragt und konsequent eingepflegt.

Think big – start small

Bei der Entwicklung des Anforderungskatalogs für ein CRM-System entsteht oft eine gewisse Eigendynamik – durch die scheinbar unendlichen Möglichkeiten entstehen schnell Ideen und Wünsche, die für die praktische Arbeit keine wirkliche Relevanz haben. Wenn man diese dann nicht kritisch auf ihren wirklichen Nutzen hin überprüft, führt dies zu einer Komplexität, die die künftige Akzeptanz massiv gefährdet. Es kommt eher darauf an, durchzuspielen, was perspektivisch für die Kanzlei relevant ist, um sich bei Auswahl eines Systems keine Möglichkeit zu verbauen. Dann sollte man aber eher in kleinen Schritten starten; die Kollegen werden zunehmend mit dem Tool vertraut und entdecken dann auch den Nutzen, der sich für sie in der täglichen Arbeit ergibt: Weihnachtskartenlisten stehen auf Knopfdruck zur Verfügung, bei der Planung von Veranstaltungen müssen keine endlosen Listen mehr hin und her geschickt werden und über entsprechende Selektionen lässt sich herausfinden, welche Mandanten für ein bestimmtes Thema zu gewinnen sind. Die Kollegen erkennen mit der Zeit, dass das System die tägliche Arbeit erleichtert und weitere Funktionalitäten werden mithin sukzessive freigeschaltet.

Migration und Pflege der Daten

Ein sehr aufwendiger und nervenaufreibender Prozess ist die Migration bestehender Datenmengen in das neue System – insbesondere dann, wenn Daten mit unterschiedlichen Schnittstellen migriert werden müssen. Unerlässlich ist die kritische Durchsicht und Überarbeitung der vorliegenden Informationen. Dabei geht es neben der Überprüfung auf Aktualität und Anreicherung mit fehlenden Detailinformationen (Branche, Größenklasse etc.) auch um die eindeutige Zuordnung von Kontakten zu einem Partner, der für den Kontakt verantwortlich ist. Der Prozess der Datenaufbereitung und Pflege ist naturgemäß mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Auch die Berufsträger müssen sich hier stark einbringen, da die meisten Informationen nur durch sie in das System gelangen können. Nach erfolgreicher Datenmigration und -bereinigung ist es in der Folge entscheidend, die Aktualität der Adressen fortlaufend sicherzustellen; hier ist insbesondere der mandatsverantwortliche Partner in der Pflicht.

Erfolgsfaktoren bei der Einführung

Damit das CRM-System auf breite Akzeptanz stößt und die neue Form des Customer-Relationship-Managements auch dauerhaft gelebt wird, liegt ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Organisation der Dateneingabe und -pflege. Der Einsatz von CRM darf bei den Berufsträgern nicht zu einem administrativen Mehraufwand führen. Entsprechend ist das Office Management einzubinden. Auch die Frage, ob die Daten künftig zentral oder dezentral gepflegt werden, ist zu beantworten.
Und wie bei jeder Veränderung in den Abläufen ist es notwendig, von Anfang, die „Menschen abzuholen“. Dies gelingt am besten durch ein breit aufgestelltes Projektteam, in dem alle wesentlichen Funktionen – vom Sekretariat über Marketing/Business Development, die IT bis zum Partner – vertreten sind. Bei der Schulung der Mitarbeiter hat sich das „Train the Trainer-Konzept“ bewährt, bei dem einzelne Mitarbeiter im ersten Schritt geschult werden um dann ihr Wissen an die Kollegen weiterzugeben. Wichtig ist auch, in regelmäßig Abschnitten kritisch zu hinterfragen, wie es um Nutzungsgrad und Disziplin bei der Verwendung des CRM-Systems steht, um ggfs. nachzujustieren oder auch weitere Funktionalitäten hinzuzufügen. Ein Hebel kann auch darin liegen, die Disziplin im Umgang mit dem CRM-System in die Berechnung der variablen Vergütung einfließen zu lassen.

Fazit

CRM-Systeme bieten große Chancen für Kanzleien, die Betreuung bestehender und die Akquise neuer Mandanten zu verbessern und stärker zu systematisieren. Dabei darf keiner der Illusion erliegen, dass alleine durch neue Technik die Dinge besser werden. Es kommt darauf an, die Anforderungen sauber zu definieren, daraufhin die beste Lösung auszuwählen und die Mitarbeiter bei der Implementierung im Boot zu haben, um die spätere Akzeptanz sicher zu stellen. Die Komplexität einer CRM-Einführung darf nicht unterschätzt werden. Nicht von ungefähr scheitern viele CRM-Projekte und der erhoffte Nutzen bleibt aus. Gerade für Kanzleien, die nicht die Erfahrung im Umgang mit CRM-Systemen haben, kommt es darauf an, branchenerfahrene (externe) Experten in das Gesamtprojekt einzubinden. Bei konsequenter Umsetzung erreichen die Kanzleien einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil und schaffen die Grundlage für eine dauerhaft erfolgreiche Marktbearbeitung.

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Dieser Artikel wurde verfasst von

Alexander Sieben

Alexander Sieben ist Diplom Ökonom und Gründungspartner von SIEBEN&PARTNER. Er war lange Jahre in einer namhaften Unternehmensberatung tätig. Dort hat er u.a. den Bereich Marketing und Vertrieb für die Mittelstandsberatung aufgebaut und war im Bereich Business Development tätig. Seine derzeitigen Beratungsschwerpunkte sind Kanzleistrategie, Kanzleimarketing sowie die digitale Transformation von Kanzleien.

Janek Weigl

Janek Weigl ist Head of Group Legal / M&A und verantwortet derzeit weltweit die Unternehmenstransaktionen und rechtlichen Angelegenheiten der internationalen FORUM MEDIA GROUP. Zuvor war er mehrere Jahre in den Bereichen Marketing und Business Development für namhafte Kanzleien (u.a. Peters, Schönberger & Partner) tätig.